Das Kooperativenmodell Autonomía

Autonomía wurde als Pilotprojekt Anfang 2021 vom Verein Zentrum für Care Kooperativen initiiert und Ende desselben Jahres von sieben Reinigerinnen gegründet. Seit dem Start im Februar 2022 bietet Autonomía Reinigungsdienste für Privathaushalte und Gewerbeobjekte im Kanton Zürich an. Autonomía steht für faire Arbeit durch Selbstorganisation und ist eine Genossenschaft, die von und für Reinigerinnen mit einer eigenen Onlineplattform geführt wird. Die Digitalisierung der Arbeit trägt in diesem Fall zum Wohlergehen der Beschäftigten bei, anstatt den Druck auf sie zu erhöhen.

Dank unserer operativen Geschäftsleitung und strategischen Begleitung konnte die Kooperative innerhalb von zwei Geschäftsjahren auf eine Größe wachsen, die es ihr ermöglicht, finanziell unabhängig zu sein und die bisher ehrenamtliche Arbeit zu vergüten. Im Jahr 2023 haben die rund 45 Reinigerinnen rund 600 Kundinnen und Kunden bedient und einen Umsatz von 1,5 Millionen Schweizer Franken generiert.

Eindrücke vom Gründungskurs im Juli 2021 bis zum letzten Treffen am 08. März 2024:

Das Social Franchising Modell - wie wir konkret operieren

Die Kooperative Autonomía Zürich steht mit uns in einem Social-Franchising-Verhältnis. Als Franchisegebern führen wir die operative Geschäftsleitung und administrative Tätigkeiten durch (Kund:innendienst, Kommunikation, Buchhaltung, Technik). Gleichzeitig begleiten und beraten wir die Kooperative in strategischen Belangen und bieten Aus- und Weiterbildungen für die Reinigerinnen an. Die Kooperative Autonomía ist im Gemeineigentum ihrer Genossenschafterinnen. Zusammen wählen sie die strategische Führung der Genossenschaft (Verwaltung).

Die Problemlage - oder warum wir tun, was wir tun

  • Der Grund für die Einführung dieses Pilotprojekts sind die prekären Arbeitsbedingungen in der Reinigungsbranche und die daraus resultierende Armut und Abhängigkeit der Reinigerinnen.

  • Die Reinigungsbranche steht im Zentrum vieler sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen. Trotz der enormen Bedeutung dieser körperlich anstrengenden Arbeit für die Gesellschaft erhalten Reinigungskräfte oft wenig Anerkennung und sind schlecht bezahlt. Besonders jene, die in Privathaushalten arbeiten, sind von atypischen und prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) greift zwar, aber erst ab einer bestimmten Grösse, und der Mindestlohn wird oft nicht eingehalten. Mangelnde soziale Absicherung und niedrige Löhne erhöhen das Armutsrisiko für Reinigungskräfte. Obwohl die bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit dank des feministischen Streiks im Jahr 2019 und der Coronapandemie verstärkt in den öffentlichen Diskurs gerückt ist, bleibt sie im Vergleich zu anderen Berufsfeldern weitgehend unterrepräsentiert.
    Die Digitalisierung in der Reinigungsbranche erhöht den Druck auf Reinigungskräfte. Nationale und internationale Plattformunternehmen zahlen niedrige Löhne und übertragen das wirtschaftliche Risiko auf die Arbeitenden. Die Flexibilität ist einseitig zugunsten der Kund:innen und dem Unternehmen, während die Reinigerinnen häufig auf Abruf arbeiten und ihren familiären Verpflichtungen nicht gerecht werden können. Die Plattformökonomie verschärft soziale Ungleichheiten, indem sie zur Prekarisierung der Arbeitsbedingungen beiträgt und somit das Armuts- und Verschuldungsrisiko der Plattformarbeiter:innen erhöht.

  • Reinigerinnen werden aufgrund ihrer Herkunft, ihres Alters, ihrer Klassen-, Geschlechts- und Racezugehörigkeit oft mehrfach strukturell diskriminiert. Sie haben aufgrund dieser Mehrfachdiskriminierung bei der Integration in den Arbeitsmarkt grosse Schwierigkeiten.

    Im Fall von der Genossenschaft Autonomía handelt es sich konkret um Reinigerinnen von denen die Hälfte keine formale Ausbildung absolviert hat. Ein Viertel der Reinigerinnen spricht kein Deutsch, während 65% über grundlegende Deutschkenntnisse verfügen. Die spanischsprachige Gruppe bildet mit 47% die größte Sprachgruppe. Knapp die Hälfte der Reinigerinnen tragen die finanzielle Verantwortung für ihre Familie. Der Altersdurchschnitt liegt aktuell bei 45 Jahren. Die Nebenzielgruppe umfasst Kinder, Partner:innen und Verwandte, die indirekt vom Projekt profitieren.

Was wir mit Autonomía bisher bewirkt haben

Das Modell von Autonomía ist beliebt und funktioniert sowohl bei den Kundinnen und Kunden als auch bei den Arbeiterinnen gut. Die Nachfrage seitens der Kunden ist konstant hoch, und die Kunden sind laut einer schriftlichen Umfrage mit der Dienstleistung zufrieden. Der Net Promoter Score liegt mit 66 % überdurchschnittlich hoch. Eine gründliche und systematische Bewertung der Wirkungen des Kooperativenmodells Autonomía Anfang 2024 ergab, dass sich Arbeits- und Lebensbedingungen bereits verbessert haben: Die Reinigerinnen sind bei der Kooperative angestellt und genießen die Vorteile eines geregelten Arbeitsverhältnisses. Sie erhalten einen höheren Lohn (30 Schweizer Franken pro Stunde), haben stabilere Arbeitszeiten, sind bei der Pensionskasse versichert und erhalten Krankentaggeld. Durch das Weiterbildungsangebot im Bereich Reinigung, Deutsch und IT fördern sie ihre persönliche Entwicklung und Selbständigkeit.

In der Wirkungsanalyse fallen insbesondere die Zufriedenheitswerte der Reinigerinnen in Bezug auf die Kooperative deutlich positiver aus als erwartet und erreichen teilweise fast 100 %. Die guten Arbeitsbedingungen bei Autonomía spiegeln sich in der äußerst positiven Bewertung der Arbeitszufriedenheit wider. Darüber hinaus haben alle Reinigerinnen Autonomía einer Kollegin empfohlen oder würden es tun. Über 80 % des Teams identifizieren sich stark mit der Kooperative - für sie ist Autonomía mehr als nur ein Job. Als positiver Aspekt nannten die Reinigerinnen von Autonomía die Mitbestimmung der Arbeitszeiten und -orte, was ihnen die Vereinbarkeit mit ihren privaten Verpflichtungen erleichtert

Dank unserer Unterstützung konnten Reinigerinnen ihr eigenes Unternehmen gründen und sich selbst faire Arbeitsplätze schaffen. Mit Autonomía wird eine soziale Mission mit einem unternehmerischen Ansatz verfolgt. Es handelt sich um ein partizipatives soziales Unternehmensmodell, das einen Beitrag zu einer gerechteren, demokratischeren und kooperativeren Wirtschaft leistet. Mehr dazu unter: